Stella
Delaney
ist in einem beschaulichen kleinen Dorf im fränkischen Weinland
aufgewachsen, lebt aber nach einem längeren Zwischenstopp in England
bereits seit einigen Jahren in der Schweiz, zusammen mit ihren drei
Katzen. Brot und Katzenfutter verdient sie als Lehrerin für
Englisch, Deutsch und Allgemeinbildung an einer Berufsfachschule.
Ihr Studium der Anglistik/Germanistik hat sie zuvor mit Jobs wie
Kindermädchen, Kellnerin, Kinoangestellte und Lehrerin für Deutsch
als Fremdsprache finanziert, und nebenbei Erfahrung als
Märchenerzählerin, freie Journalistin, Übersetzerin und
Buchkritikerin gesammelt.
Derzeit schreibt sie hauptsächlich Kurzgeschichten, arbeitet aber
auch an verschiedenen Romanprojekten. Mehr hierzu auf www.stelladelaney.net
1.
Was ist für dich der wichtigste Ansporn, eine Geschichte zu
schreiben?
Zum
einen sicher das Erzählen. Ich erzähle einfach wahnsinnig gerne
Geschichten, die die Zuhörer oder Leser nicht nur unterhalten,
sondern auch noch lange beschäftigen und zum Nachdenken anregen.
Viele Autoren betonen ja gerne, dass sie zum Schreiben geboren seien;
ich dagegen bin eine geborene Geschichtenerzählerin, und Schreiben
ist nur mein bevorzugtes Medium.
Zum
anderen ist es die Reaktion meiner Leser und potentiellen Leser,
nicht nur auf die ersten Ideen und Ausschnitte, sondern auch auf das
fertige Ganze. Feedback motiviert mich immer extrem.
2.
Was beschreibst du an einem Buchcharakter zuerst: Sein Aussehen oder
seine Eigenheiten?
Zuerst
immer die Persönlichkeit. Meine Figuren existieren zuerst als
Stimme, die mit mir spricht, von sich erzählt oder meine Ideen
kommentiert. Das Aussehen kommt dann erst später dazu; manchmal
beschreibe ich auch nur sehr oberflächlich, weil es keine große
Rolle spielt. Und selbst in späteren Stadien kann es noch sein, dass
die Figur ‘gesichtslos’ ist, was bedeutet, dass ich zwar den
Körperbau, die Haar- und Augenfarbe festgelegt habe, aber Mühe
hätte, die Gesichtszüge exakt und präzise zu beschreiben (so dass
es einem Künstler möglich wäre, die Figur zu zeichnen).
3.
Brauchst du eine bestimmte Umgebung um schreiben zu können?
Das
kommt immer drauf an. Zuhause sitze ich oft klassisch am Schreibtisch
oder am Esstisch (daneben ist ein großes Fenster mit Bäumen davor),
da die Umgebung sowieso egal wird, wenn ich einmal im Schreibfluss
bin. Ab und zu jedoch kann es sehr inspirierend sein, einmal an einem
anderen Ort zu schreiben; vor allem, wenn eine Szene dort spielt.
Aber in der Regel reicht es mir, einen solchen Ort zu besuchen, meine
Eindrücke kurz im Notizheft festzuhalten und dann doch Zuhause zu
schreiben.
Generell
habe ich es lieber ruhig und brauche es, dass ich zwischendrin
aufstehen und herumlaufen oder Musik hören kann. Ich bin also kein
klassischer ‚Im-Café-und-unter-Leuten‘-Schreiber.
4.
Schreibst du eine Geschichte von vorne bis hinten durch, oder
schreibst du zuerst einzelne Szenen, um die herum sich dann alles
entwickelt?
Ich
plane zunächst mal grob von vorne nach hinten durch und fange
meistens von vorne an zu schreiben, lasse aber auch mal eine Szene
aus, wenn mir gar nichts dazu einfällt oder springe zu einer Szene
vor, wenn ich sie ganz deutlich vor mir sehe oder in der Stimmung
bin, grade diese Szene zu schreiben.
Der
Anfang ändert sich dann in Regel noch im Laufe des Schreibens oder
Überarbeitens, da die ursprünglich gewählte Szene oft nicht die
beste ist und ich die ersten Kapitel generell eher zum
‘Warmschreiben’ brauche (aber später dann deutlich kürze oder
gar weglasse).
Hat
eine Geschichte einen komplizierteren Aufbau, weil z.B. Wechsel
zwischen Gegenwart und Vergangenheit stattfinden oder es mehrere
Erzählebenen und –perspektiven gibt, schreibe ich oft zunächst
chronologisch oder in einer ‘einfachen’ Reihenfolge und spiele
später noch viel herum, um den bestmöglichen Ablauf zu finden. Das
geht mit Karteikarten sehr gut – entweder mit echten oder in einem
speziellen Schreibprogramm wie Scrivener.
5.
Haben deine Protagonisten ein Eigenleben?
Definitiv.
Es kann schon mal vorkommen, dass sie sich weigern, einen bestimmten
Satz zu sagen oder in einer Szene so zu reagieren, wie ich das
geplant hatte, weil das für sie nicht ihrer Persönlichkeit
entspricht. Ich höre dann ein deutliches „Nein, DAS mache ich auf
keinen Fall.“ oder ein „SO nicht.“ Und manchmal kommentieren
sie sogar Dinge, die in meinem Alltag so passieren. Das ist dann, als
würde eine wirkliche Person neben mir stehen und sich mit mir
unterhalten.
(Wie
sagte doch E. L. Doctorow so schön? „Writing is a socially
acceptable form of schizophrenia.” – “Das Schreiben ist eine
gesellschaftlich akzeptable Variante von Schizophrenie.”)
6.
Welche Stadt wäre für dich das perfekte Umfeld, in der du am
liebsten einen Krimi verorten würdest?
Wenn
es um eine deutsche Stadt geht: Hamburg. Ich finde die Einstellung
der Leute irgendwie sympathisch, und es ist eine sehr interessante
Stadt. Leider kenne ich mich da nicht so gut aus; der einfachere Weg
wäre Zürich oder Winterthur, aber gerade mein Wohnort wirkt da viel
zu ruhig und ‘unkriminell’.
International
wäre es definitiv London oder Edinburgh, beide Städte liebe ich :)
7.
Gibt es einen Autor, den du dein Vorbild nennen würdest?
Am
meisten wahrscheinlich Stephen King, was seine Figurengestaltung,
seinen Spannungsaufbau und sein Durchhaltevermögen angeht. Er ist
einfach ein Meister seines Fachs, da werden viele zustimmen.
Dann
natürlich Edgar Allan Poe, weil er den ‚unreliable narrator‘
(ein Erzähler, bei dem der Leser nicht weiß, ob er ihm glauben und
vertrauen kann) und sehr ungewöhnliche Plot Twists einsetzt, um
spannende und atmosphärische Geschichten zu erschaffen, die den
Leser noch lange beschäftigen, weil sie auf ganz verschiedene Arten
gelesen und interpretiert werden können.
Und
der dritte im Bunde wäre Scott Heim, dessen Roman „Mysterious
Skin“ (den wahrscheinlich noch weniger Leute kennen als den
gleichnamigen Film) mich sehr beeindruckt und geprägt hat, vor
allem, wenn es darum geht, ‚schwere‘ Themen zu erzählen und zu
zeigen, wie einzelne Figuren je nach ihrer Persönlichkeit
unterschiedlich auf eine extreme Situation oder ein traumatisches
Erlebnis reagieren.
8.
Welchen Platz nimmt das Schreiben in deinem Leben ein?
Einen
sehr wichtigen. Ich sage manchmal, dass ich ohne meine Katzen nicht
mehr am Leben wäre und ohne das Schreiben verrückt – das klingt
zwar dramatisch, ist aber wahr. Leider ist es manchmal schwierig,
neben meinem ‚Brotjob‘ – der leider oft keine fixen
Arbeitszeiten kennt – noch Platz fürs Schreiben zu finden; aber
dass ich das so gut wie immer noch irgendwie schaffe zeigt wieder,
wie wichtig es mir ist.
9.
Könntest du dir vorstellen, eine Auftragsarbeit zu übernehmen –
also, eine vorgegebene Handlung, die du mit Leben füllen sollst?
Das
kommt darauf an. Ich muss mich mit der Handlung identifizieren
können, sonst wird es schwierig. Das Problem habe ich zum Teil auch
bei Ausschreibungen, wenn zu exakt vorgegeben ist, warum es gehen
soll, und ich dazu keine Idee habe oder mich das Thema gar nicht
anspricht.
10.
Wenn dir jemand sagen würde, dass du ab sofort ein Jahr lang nichts
mehr schreiben dürftest, was würdest du antworten?
Zwei
Wörter: „Vergiss es.” Ich würde es wahrscheinlich nicht
durchhalten ;)
11.
Wenn du ein berühmter Autor wärst (oder sein wirst), welchen Satz
würdest du einem Schreibanfänger mitgeben?
“Never
give up.” - Niemals aufgeben. Schreiben ist harte Arbeit und
manchmal auch extrem anstrengend und frustrierend, aber auch sooooo
befreiend und befriedigend, wenn man später auf das Ergebnis
zurückblickt und stolz darauf sein kann.
12.
Was würdest du zuerst tun, wenn man dir einen Literaturpreis
verleihen würde?
Wahrscheinlich
erst mal in Tränen ausbrechen. Bei Dingen oder Personen, die mir
wichtig sind, bin ich sehr emotional. Und dann würde ich mir eine
Dankesrede überlegen, mit all den Leuten, die mich so weit gebracht
und immer an mich geglaubt haben – denn ohne die hätte ich es
nicht geschafft.
13. Was
ist das Lustigste, das dir jemals passiert ist?
Ich
beziehe die Frage mal aufs Schreiben. Einmal schrieb ich an einer
Szene für mein Romanprojekt “(Un)Broken”, damals noch auf
Englisch. Die Geschichte spielt im amerikanischen Militär, und es
fiel der Begriff ‚threat level‘ , eine Farbskala, die die
aktuelle Bedrohungslage illustriert (von ‚grün = gering/normal‘
bis ‚rot = höchste Gefahr‘). Lustigerweise vertippt ich mich und
schrieb stattdessen ‚treat level‘ (‚treat‘ bedeutet unter
anderem ‚Belohnung‘, aber auch ‚Leckerei/Süßigkeit‘, also
die süße Belohnung, die man sich ab und zu gönnt), was eine
Autorenkollegin, der ich die Szene zeigte, sehr amüsierte. Sie
fragte mich dann, wie es um die Kochküste meines Protagonisten
bestellt sei, und die sind - zufälligerweise – auch noch legendär
schlecht.
Letztlich
entstand daraus ein Witz in der Geschichte: ich ließ meinen
Protagonisten genau diesen Schreibfehler machen, und eine andere
Figur (liebevoll) darüber spotten, dass man bei seinen Kochkünsten
selbstverständlich ‚level rot‘ (höchste Gefahrenstufe) ansetzen
müsste.
Herzlichen Dank für das Interview, liebe Stella! Ich wünsche dir viel Erfolg mit deinen Veröffentlichungen <3
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